Bindungsstörungen

Bowlby und Ainsworth haben ein Konzept von Bindungstypen entwickelt, wonach es sicher gebundene Kinder gibt und Kinder, bei denen eine unsichere Bindung vorliegen kann. Diese Bindungsstile sind aber nicht zu verwechseln mit kinderpsychiatrischen Bindungsstörungen.

In Situationen der Verunsicherung und Belastung suchen Kinder mit Bindungsstörungen keine Nähe und Kontakt zur Bindungsperson. Vielmehr sind sie deutlich gestresst, können aber keinen Trost bei der Bindungsperson suchen. Manche Kinder wenden sich sogar an eine fremde Person anstatt an die vertraute Bezugsperson.

Reaktive Bindungsstörung des Kindesalters

Kinder mit einer reaktiven Bindungsstörung sind übermäßig ängstlich und wachsam. In unterschiedlichen Situationen zeigen sie widersprüchliche Reaktionen.

Zum Störungsbild gehören auch emotionale Auffälligkeiten wie bspw. eine verminderte Ansprechbarkeit, Furchtsamkeit, Rückzugsverhalten sowie ein aggressives Verhalten gegenüber sich selbst oder gegenüber anderen als Reaktion auf das eigene Unglücklichsein.

Kinder mit reaktiven Bindungsstörungen zeigen gegenüber Bindungspersonen Symptome ambivalenter Reaktionen wie bspw. die wechselnde Suche nach Nähe einerseits und der Vermeidung von Körperkontakt bzw. elterlichen Trostversuchen andererseits. In besonders belastenden Situationen zeigen manche Kinder ein gleichermaßen aggressives sowie stark zurückgenommenes Verhalten. Die Interaktion mit Gleichaltrigen, wie z.B. beim sozialen Spielen, ist stark eingeschränkt.

Dennoch lassen sich in der Interaktion mit adäquat reagierenden Bezugspersonen soziale Gegenseitigkeit und Ansprechbarkeit beobachten. In der klinischen Praxis sind es nahezu immer Kinder mit ausgeprägter Vernachlässigung oder psychischer und körperlicher Misshandlung, die mit einer reaktiven Bindungsstörung klassifiziert werden.

Bindungsstörung des Kindesalters mit Enthemmung

Die Bindungsstörung mit Enthemmung ist geprägt von diffusen, also wenig emotional bezogenen bzw. mangelnden persönlichen Bindungen. Situationsübergreifend zeigen sich häufig distanzlose Interaktionen mit unvertrauten Personen, einem anklammernden Verhalten oder der Suche nach Aufmerksamkeit.

Diffuse Bindungen mit Bezugspersonen zeigen sich darin, dass insbesondere Bindungsbedürfnisse, wie die Suche nach Trost oder Nähe, unterschiedslos gegenüber Bezugspersonen und unvertrauten Personen auftreten.

Kennzeichnend sind insbesondere ein aggressives Verhalten (gegen sich selbst und gegen andere), eingeschränkte Interaktionen mit Gleichaltrigen und eingeschränktes soziales Spiel.


Quellen:

Fegert JM, Streeck-Fischer A, Freyberger HJ (ed.) Adoleszenpsychiatrie: Psychiatrie und Psychotherapie der Adoleszenz und des jungen Erwachsenenalters. Stuttgart: Schattauer, 2009.

Fegert JM, Kölch M (Hrsg.) Klinikmanual – Kinder- und Jugendpsychiatrie und –psychotherapie. Berlin: Springer-Verlag 2013.