Bei dieser Entwicklungsstörung zeigen betroffene Kinder qualitative Auffälligkeiten in der gegenseitigen sozialen Interaktion und Kommunikation. Zudem sind Verhaltensmuster, Interessen und Aktivitäten von widerholendem Charakter. Teilweise werden die Symptome vor dem 3. Lebensjahr festgestellt. Kriterien des frühkindlichen Autismus sind:
Qualitative Beeinträchtigung der gegenseitigen sozialen Interaktion
Frühzeitig zeigt sich eine Einschränkung der Eltern-Kind-Interaktion, aber auch eine begrenzte soziale Interaktion mit Gleichaltrigen. Betroffene Kinder sind oft unfähig Blickkontakt, Mimik, Körperhaltung und Gestik zur Gestaltung der sozialen Interaktionen einzusetzen. Zudem besteht ein ausgeprägter Mangel an Interesse gegenüber anderen Kindern.
Soziale und emotionale Signale werden unangemessen eingeschätzt bzw. nur wenig gebraucht. Oft wirken die Kinder scheinbar selbstzufrieden und in ihrer eigenen Welt lebend.
Qualitative Beeinträchtigung der Kommunikation
Etwa ein Drittel bis die Hälfte der Kinder entwickelt keine oder verspätet eine nichtkommunikative Sprache. Gesten mit symbolischem Gehalt oder vorsprachliche Äußerungen (z.B. kommunikatives „Geplapper“) fehlen häufig, ebenso wie das spontane Imitieren der Handlungen anderer. Oft sprechen Kinder von sich in der dritten Person und zeigen ein eigentümliches Sprechverhalten.
Wiederkehrend drücken sie sich in einer abgehakten und unmelodischen Sprache aus, die mit vielen grammatikalischen Fehlern behaftet ist.
Im Schulalter kann die Sprache einen teilweise kommunikativen Charakter gewinnen. Jedoch bestehen häufig begrenzte und wiederkehrende Verhaltensmuster, Interessen und Aktivitäten, deren Inhalte und Schwerpunkte von der Norm abweichen.
Patienten und Patientinnen sind außerdem einer starken Veränderungsangst (fremde Räume, Umstellung der Möbel etc.) ausgesetzt und haben ein ängstlich-zwanghaftes Bedürfnis nach Gleicherhaltung der Umwelt.
Motorische Eigenschaften
Beim frühkindlichen Autismus zeigen sich einfache oder komplexe Bewegungen wie z.B. Augenbohren, Pendelbewegungen des Kopfes oder des ganzen Körpers. Die Kernsymptomatik bleibt auch im Erwachsenenalter weitgehend stabil, erfährt aber graduelle Veränderungen, v.a. im Bereich der sozialen Interaktion und der Kommunikation. Bei etwa der Hälfte der Patienten liegt eine geistige Behinderung vor und bei bis zu 25% der Patienten kommt es zu epileptischen Anfällen.
Die Symptomatik des atypischen Autismus entspricht im Wesentlichen der des frühkindlichen Autismus, wobei jedoch entweder nicht alle geforderten Kriterien erfüllt sind, die auffällige Entwicklung erst im oder nach dem 3. Lebensjahr deutlich wird oder das Erkrankungsalter und die Symptome atypisch sind.
Fegert JM, Streeck-Fischer A, Freyberger HJ (ed.) Adoleszenpsychiatrie: Psychiatrie und Psychotherapie der Adoleszenz und des jungen Erwachsenenalters. Stuttgart: Schattauer, 2009.
Fegert JM, Kölch M (Hrsg.) Klinikmanual – Kinder- und Jugendpsychiatrie und –psychotherapie. Berlin: Springer-Verlag 2013.